ueber zen

P. AMA Samy beantwortet Fragen zu Zen

Ama Samy FAQ„Zen“ kommt aus dem Sanskrit (dhyana, in Pali jhana) und bedeutet "Meditation". Ursprünglich war Zen eine Richtung des Mahayana-Buddhismus, die im 6. Jahrhundert in China Einfluss gewann und dort Elemente der taoistischen Philosophie aufnahm. Im Chinesischen heißt es ch'an, im Koreanischen son. Unter Zen wird heutzutage vieles verstanden: eine buddhistische Richtung, Meditation, Erleuchtung als Produkt der Zen-Übung, auch ein Leben in Klarheit, Einfachheit und Natürlichkeit.

P. AMA Samy beantwortet Fragen zu Zen

Ama Samy FAQ„Zen“ kommt aus dem Sanskrit (dhyana, in Pali jhana) und bedeutet "Meditation". Ursprünglich war Zen eine Richtung des Mahayana-Buddhismus, die im 6. Jahrhundert in China Einfluss gewann und dort Elemente der taoistischen Philosophie aufnahm. Im Chinesischen heißt es ch'an, im Koreanischen son. Unter Zen wird heutzutage vieles verstanden: eine buddhistische Richtung, Meditation, Erleuchtung als Produkt der Zen-Übung, auch ein Leben in Klarheit, Einfachheit und Natürlichkeit.

Was ist das Besondere an Zen?

"Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose!" Zen ist einfach Zen, Praxis, konkrete Erfahrung. Es ist nicht leicht, abstrakt darüber zu sprechen, doch kann man sagen, dass Zen sehr besonders ist. Zazen, die Sitzmeditation, ähnelt zwar den Meditationsübungen anderer Wege, doch die Zen-Übung hat einen  anderen Hintergrund. Zum Beispiel die Koan-Meditation, die es nur im Zen gibt: Schüler/innen meditieren über überlieferte Geschichten mit paradoxen Fragen, deren Lösung außerhalb des logisch-rationalen Denkens liegt. Das ähnelt der tiefen Selbsterforschung Ramana Maharshis mit seiner beständigen Frage: „Wer bin ich?“ Im Zen ist dieser Prozess jedoch interpersonal und dynamisch; die Erforschung findet in einer Beziehung von Lehrer/in-Schüler/in statt. Der Zen-Weg ist einfach und paradox, mystisch und pragmatisch, diesseitig und jenseitig. Freiheit und Mitgefühl sind die ‚Säulen‘ des Zen. Im Zen gibt es auch Elemente aus anderen Wegen, und doch bleibt es eine einzigartige Blüte des menschlichen Geistes.

Für wen eignet sich Zen?

Zen eignet sich für alle Suchenden, die dazu bereit und offen sind. Zen kann Menschen, die es praktizieren, zu Frieden, Freiheit und Freude führen. Vor allem eignet es sich für ernsthafte Sucher/innen, die nach dem Sinn des Lebens und nach Befreiung, Erleuchtung und Erwachen suchen. Doch obwohl Zen wunderbar ist, muss es nicht für alle der richtige Weg sein. Jede/r von uns ist einzigartig, daher muss jede/r ihren oder seinen eigenen Weg finden.

Sind Yoga und Zen ähnlich oder verschieden?

Es gibt verschiedene Yoga-Stile wie Hatha, Jnana, Kundalini usw. Auch spricht man oft generalisierend von Yoga wie beispielsweise bei Karma-Yoga oder Bhakti-Yoga. Selbst zu Zen sagen manche „Japanisches Yoga“. Sprechen wir nur im eingeschränkten Sinne über Yoga wie Hatha Yoga oder Patanjali Yoga, so kann man sagen, dass die Welt von Zen und von Yoga verschieden ist, trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten wie der Betonung von Körper und Atem, auf Sitzmeditation und Selbst-Realisierung.

Ist Zen das gleiche wie Vipassana-Meditation?

Ja und nein. Zen und Vipassana entstammen beide dem Buddhismus. Vipassana gehört zur Theravada-Tradition, Zen zum Mahayana-Buddhismus. Insofern liegen sie nah beieinander. Die Achtsamkeitspraxis des Vipassana ist auch eine grundlegende Übung im Zen. Doch jenseits dessen unterscheiden sie sich sehr voneinander. Denkt man an die „Zen-Warnungen“ im ‚Mumonkan‘ oder an das Herz-Sutra, erkennt man grundlegende Unterschiede.

Für wen ist Zen geeignet?

Zen eignet sich für alle, die mit offenem Geist suchen. Zen kann alle, die es praktizieren, zu einem Leben in Frieden, Freiheit und Freude führen. Besonders eignet sich Zen aber für tiefgründig Suchende, die nach dem Sinn des Lebens, nach Befreiung, Erleuchtung und Erwachen suchen. Doch obgleich Zen wunderbar ist, muss es trotzdem nicht für alle der richtige Weg sein. Jede/r von uns ist einzigartig und muss ihren/seinen eigenen Weg finden.

Was ist im Zen der Stellenwert der Buddhistischen Gebote? Und wie ist das Verhältnis von Zen und Ethik? Ist Zen amoralisch?

Historisch gesehen wurden die Zen-Gebote nicht besonders hervorgehoben. In China und Japan existierte ja bereits eine konfuzianisch geprägte Moral und Ethik. Die Gebote sind ein Teil der Zen-Praxis, doch gibt es einen wichtigen Unterschied: die Erleuchtung ist jenseits von Moral und Regeln. Aber man kommt zurück auf den Marktplatz der Welt, frei und mitfühlend, und hier haben Ethik und moralische Regeln als Manifestation des Mitgefühls eine zentrale Bedeutung. Erleuchtung und Mitgefühl sind die zwei Pfeiler des Zen, genauer, zwei Dimensionen einer Verwirklichung. Es besteht dennoch die Gefahr, dass Zen und Zen-Sprache dazu missbraucht werden, eine Ich-bezogene Suche und einen egoistischen Individualismus als „Zen-Freiheit“ zu rechtfertigen. Im Zweiten Weltkrieg ließen sich viele japanische Zen-Meister von einem selbstsüchtigen Nationalismus blenden und benutzten die Zen-Sprache dazu, Aggression und Krieg zu legitimieren. Doch man braucht beides, das Erwachen zur non-dualen Weisheit ebenso wie eine wache, kritische, unterscheidende Weisheit.

Ist Zen buddhistisch? Können auch Christen, Hindus und Moslems Zen praktizieren?

Zen wurzelt im Buddhismus, besonders im Mahayana-Buddhismus. Aber Zen-Meditation, Zen-Erfahrung und Zen-Erwachen sind nicht beschränkt auf den Buddhismus oder seine Anhänger/innen. Jeder aufgeschlossene Mensch kann Zen praktizieren. Mein Zen-Meister Yamada Ko’un sagte immer, dass Zen wie eine Tasse Tee ist: es gibt keinen ‚christlichen‘ oder ‚buddhistischen‘ Tee, Tee ist einfach Tee. Er war auch der Ansicht, dass Christen, die Zen praktizieren, damit zu besseren Christen werden. Dennoch bleibt Zen eine religiöse, genauer: eine spirituelle Praxis, und Zen sollte nicht von seinen buddhistischen Wurzeln getrennt werden. Besonders diejenigen, die Zen lehren, sollten über buddhistisches Grundwissen verfügen und gegenüber Buddha und der Zen-buddhistischen Tradition Ehrerbietung ausdrücken. Vor allem artikulieren sich Zen-Erfahrung und Zen-Erwachen innerhalb der Zen-buddhistischen Sprache. Nicht-Buddhisten können Zen auf zweierlei Art praktizieren. Zum einen, um ihre eigene religiöse Erfahrung und ihren Glauben zu vertiefen (wer allerdings fanatisch am eigenen Glaubenssystem und seinen Praktiken hängt, für den mag Zen nicht passend sein). Ein anderer und besserer Weg ist es, Zen rein als Zen zu üben. In gewisser Hinsicht bedeutet das, der eigenen Religion und Tradition ‚zu sterben‘ und ‚hinüberzugehen‘ in Zen und seine Tradition. Ein solches ‚Hinübergehen‘ kann zutiefst befreiend sein. Anschließend kann man verwandelt und befreit zur eigenen Religion und Tradition zurückkehren.

Muss man gläubig sein, um Zen zu praktizieren?

Im Zen kennt man drei Voraussetzungen für den Zen-Weg: Großen Zweifel, Großen Glauben und Großes Bemühen oder Suchen. ‚Großer Glaube‘ meint im Wesentlichen ein bereitwilliges, vertrauendes Herz. ‚Großes Vertrauen‘ ist das Vertrauen in den Zen-Weg, dass er zur Befreiung und zum Erwachen führen wird; das Vertrauen in die Lehrerin oder den Lehrer, dass er oder sie in der Zen-Linie und Zen-Tradition verankert ist und eine sorgsame Führung geben kann; Vertrauen in uns selbst, dass wir die Kraft und Stärke in dir und im Universum entdecken, die uns zum Ziel bringen wird. Vertrauen bedeutet auch, zu glauben oder intuitiv zu spüren, dass es eine andere, unbekannte Dimension der Wirklichkeit gibt, in der ein Versprechen liegt, das Versprechen der Möglichkeit von Erwachens und Befreiung. Vertrauen auch darauf, dass du selbst Buddha bist. Das ist der ‚Glaube der Patriarchen‘: dass du bereits Buddha bist, im Unterschied zum Tathagatha-Glauben, der davon ausgeht, dass man Buddha werden kann. Dieser Glaube beruht auf Vertrauen und Bereitwilligkeit.

Natürlich heißt das nicht, dass man bereits mit einem perfekten festen Glauben beginnt. Ein Fünkchen genügt, und dieser Funke steckt im Suchen und Fragen, Zuhören und Lernen. Zum Vertrauen gehört ‚Hören‘: hören auf die Sutras und Lehren, hören auf den eigenen tiefen Herz-Geist. Gläubiges Vertrauen ist mehr als nur Glaube. Der Glaube ist ein Glaube an etwas; gläubiges Vertrauen aber ist die Offenheit des Herzens zum Unbekannten hin, die Bereitschaft, das Leben und die Welt, das Selbst und die Anderen anzunehmen, Mut, dem Ruf deines eigenen Herzens zu folgen. Ein Mensch zu sein, das heißt bereits, in gläubigem Vertrauen zu leben. In die Zen-Übung hineinzugehen wird dazu führen, dass dein Herz-Geist sich mehr und mehr öffnet und gläubiges Vertrauen, Bereitschaft und Mut sich vertiefen. All das zusammen wird dich zum Erwachen und zur Verwirklichung führen.

Trägt die Zen-Übung dazu dabei, Körper und Geist zu heilen?

Zen ist kein Wundermittel gegen Krankheiten oder die täglichen Probleme und des Lebens. Doch Zen setzt an den Wurzeln der menschlichen Krankheiten an: Gier, Hass und Verblendung. Von dort aus erreichen Heilung und Transformation alle Bereiche der menschlichen Existenz. Im Hinblick auf die körperliche und geistige Heilung unserer gewöhnlichen Neurosen und Leiden kann Zen durchaus therapeutisch wirken, denn Zen ist eine Praxis des Sein-Lassens, der Gelassenheit. Man lernt, mit dem Körper und den Gefühlen Freundschaft zu schließen, sich selbst und das Leben zu akzeptieren, andere anders sein zu lassen. Es ist eine Übung des Mitgefühls wie der Freiheit. Doch einschränkend muss ich sagen, dass Zen kein Heilmittel für ernsthafte psychische oder körperliche Krankheiten ist. Es kann sogar gefährlich werden, wenn Menschen glauben, eine Zen-Erleuchtung wird alles in Ordnung bringen, alle Krankheiten und Probleme des Lebens kurieren. Oft sind diese Menschen auch nicht bereit, sich mit schwierigen Gefühlen, verwickelten Trieben und Begierden und einer durchdringenden Angst in ihrem Leben zu konfrontieren. Stattdessen fliehen sie in den ruhigen Raum von Zen-Meditation. Das nennt man einen „spirituellen Bypass“, und es kann destruktiv sein. Komm zu Zen, wenn du nach dem Sinn des Lebens und nach Erleuchtung suchst. Oft führt auch das Fehlen eines Sinns in die Krankheit. Doch bei ernstlichen körperlichen und psychischen Krankheiten rate ich dringend, sich medizinische bzw. psychotherapeutische Hilfe zu suchen.

Entstehen durch Zen siddhis, d.h. Energien und magische Kräfte, Phänomene wie Synchronizität und dergleichen?

Mit solchen Behauptungen muss man vorsichtig sein. Das gesamte Universum ist eins, und irgendwie kommt Hilfe und Unterstützung auf dem Weg. Manchmal können auch unerklärliche Dinge passieren, die wir als Wunder wahrnehmen. Nimm solche Dinge gelassen auf und halte dich nicht daran fest. Am besten vergisst du sie, denn sie führen dich in die Irre. Das gleiche gilt für sogenannte „Erfahrungen“ – such nicht nach ihnen. Denk daran, dass du im Zen zum Wunder deines eigenen gewöhnlichen Lebens erwachst: „Unerklärliches Wunder, zauberhaftes Wirken: Ich schöpfe Wasser und spalte Feuerholz!“

Braucht man eine/n Meister/in, um Zen zu praktizeren?

Ja und nein. Zunächst einmal braucht man in fast jedem Bereich wie in Wissenschaft oder Kunst Expertinnen und Experten, von denen man lernen kann. Um uns zu entwickeln, brauchen wir Vorbilder und Modelle. Wer sich in Zen, besonders in Koan-Zen, vertiefen möchte, muss als Schüler/in eines erwachten Meisters oder einer Meisterin lernen, einfach zu folgen und zuzuhören. Hören und Folgen sind zentral für den spirituellen Weg, und es ist schade, dass viele Menschen auf eine solche Bindung allergisch reagieren. Schülerschaft und Nachfolge bei einer erwachten und vertrauenswürdigen Meisterin oder einem Lehrer ist ein segensreiches Tor zum Erwachen und zur Verwirklichung. Für die normale Zen-Übung jedoch ist es nicht nötig, Schüler/in zu werden, es genügt, zu einer Meditationsgemeinschaft (sangha) zu gehören. Für Menschen, die in einer dysfunktionalen Familie aufgewachsen sind, sexuellen Missbrauch erlitten haben oder die in irgendeiner Weise koabhängig sind, kann die Beziehung zu einer Meisterin oder einem Meister möglicherweise zu einem Problem werden und sogar negativ sein. Dann ist es besser, eine enge Beziehung zu einem/r Meister/in zu meiden. Selbst bei gesunden Menschen gilt der Spruch, eine Meister/in-Schüler/in-Beziehung sei wie am-Feuer-sitzen: weder zu fern noch zu nah sollte sie sein. Dazu kommt, dass authentische Lehrer und Meisterinnen rar sind. Und selbst wenn jemand ein guter, sogar ein wunderbarer Lehrer ist, kann sie oder er vielleicht nicht zu dir passen. Wichtig ist es, eine Gemeinschaft zu finden, mit der man praktizieren kann. Auch ist es möglich, allein zu üben, aber es ist nicht leicht und führt oft auch nicht sehr weit. Die Gemeinschaft ist nicht nur unterstützend und ein Ansporn, sondern auch eine Herausforderung und ein Übungsfeld für die Selbsttransformation. Wenn du Teil einer Sangha bist, lerne, in den Dialog zu gehen und für andere Sorge zu tragen. Unterstütz die Gemeinschaft dabei, sich zur Welt hin zu öffnen. Eine/e Schülerin zu sein ist ein Segen, und einer Sangha anzugehören ist ein Segen – beides ist eine Befreiungsaufgabe.

Was bedeuten Karma und Transmigration (Reinkarnation/Wiedergeburt)? Sollten Zen-Praktizierende daran glauben?

Karma meint im Hinduismus und im Buddhismus ein komplexes religiöses System mit vielerlei Bedeutung. Karma kann eine rituelle oder eine psycho-physische Handlung, die Folgen einer Handlung, das universelle Gesetz der Verursachung, die Verkettung von Ursache und Wirkung in moralischer Hinsicht usw. sein. Das ganze Universum steht unter dem karmischen Gesetz, das besagt, dass jede Handlung eine Reaktion auslöst und zu Konsequenzen führt. Der Hinduismus und der Buddhismus halten Karma für etwas, das aus vorangegangenen Geburten stammt und in die jeweils aktuelle Geburt einfließt. Das, was du heute bist, ist deinen früheren Inkarnationen geschuldet. Die buddhistische Doktrin des anatta lehrt, dass es kein dauerhaftes Selbst gibt, nur Ursachen und Bedingungen im Leben, durch unser Tun erzeugt, die von Geburt zu Geburt weitergehen. Doch die Lehre ist komplexer und tiefer als diese Oberflächenbeschreibung.

Transmigration (oder Reinkarnation) besagt, dass wir bereits unzählige Male auf dieser Erde in vielerlei Gestalten und als unterschiedliche Wesen geboren wurden, je nach Verdienst unseres jeweiligen Karmas. Wir werden so lange wieder und wieder geboren, bis unser Karma gewissermaßen ‚ausgelöscht‘ ist. Die Karma-Theorie liefert uns eine Erklärung für Ungleichheit, Ungerechtigkeit und die sozialen Probleme des Lebens, und die Seelenwanderung oder Wiedergeburt verspricht uns eine Art Lösung für alle diese Probleme. Vor Buddhas Zeit verstand man Karma eher mechanistisch, als Abfolge von Handlungen und Folgen, ohne Bezug zur Absicht der handelnden Person. Buddha brachte den Willen und die Intention in die Karma-Lehre ein: nun gab es gute oder böse Absichten, die gutes oder schlechtes Karma hervorbringen. Damit war die Freiheit gewonnen, Karma durch guten Willen und rechtschaffenes Handeln wieder ausgleichen zu können. Bei Hindus wie Buddhisten gilt die Seelenwanderung jedoch grundsätzlich als Last und Unglück, und man versucht daher, sich von Karma und Wiedergeburt zu befreien. Im Westen betrachtet man Wiedergeburt eher evolutionär als eine Gelegenheit, Geist und Seele höher zu entwickeln. Doch wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Doktrin von Karma und Reinkarnation nur auf Hypothesen beruht. Der blinde Glaube daran kann Menschen zu Fatalismus und Resignation führen und soziale Systeme von Unterdrückung und Ungerechtigkeit rechtfertigen. Von ihrer besseren Seite aus kann man Reinkarnation jedoch auch als Hinweis auf die enge Verbindung alles Seins und aller Wirklichkeit interpretieren. So rief der große hinduistische Advaita-Gelehrte Shankara in einem seiner Kommentare zu den Upanishaden aus: „Wahrlich, es gibt keinen anderen Seelenwanderer als Gott.“

Karma könnte man auch als genetisches Erbe der vorausgegangenen Generationen oder als sozial und kulturell geprägte Grundausstattung unseres spezifischen Körper-Geistes interpretieren. Das ist nicht deterministisch gemeint, sondern eine Aufforderung, mit den ‚Bausteinen‘, die uns gegeben wurden, kreativ umzugehen. Dazu eine Erleuchtungsgeschichte des Vierten Zen-Patriarchen in China in Meister Keizans Denko-roku:

Daoxin sagte zu Zen-Meister Sengcan: „Ich appelliere an dein Mitgefühl – bitte zeig mir den Weg zur Befreiung.“ Sengcan sprach: “Wer bindet dich denn?” Daoxin antwortete: “Niemand bindet mich.” Sengcan sagte: „Warum suchst du dann nach Befreiung?“ Bei diesen Worten fand Daoxin zu einer großen Erleuchtung.

Der Zen-Buddhismus gilt Karma und Transmigration als Ausgangspunkt unserer Sehnsucht und unseres Bemühens um Erwachen und Befreiung. Doch diese Doktrin ist nicht nötig, um Zen-Meditation zu praktizieren. Leiden und Sehnsucht nach Erwachen hängen nicht von Theorien ab. Und beim Erwachen bewegen wir uns jenseits von Karma und Wiedergeburt und werfen alle diese Theorien und Konzepte einfach ab. Karma und Wiedergeburt sind leer, denn das Selbst ist ein Nicht-Selbst. Wir erwachen aus dem Traum von Karma und Wiedergeburt. Das ewige Leben findet in diesem Moment statt. Himmel und Hölle sind nicht irgendwo anders oder irgendwann in der Zukunft. Wie Hakuin in seinem „Lied auf Zazen“ schreibt: Diese konkrete Erde ist das Paradies des Reinen Landes, dieser reale Körper ist der Körper Buddhas. Wer dieses Leben hier und jetzt akzeptiert, kann mitfühlend und in Freude und Freiheit leben. In diesem Drama des Lebens sind wir aufgerufen, Regisseur und Spieler zugleich zu sein.

Was bedeuten die unterschiedlichen Zen-Titel wie Roshi, Sensei, Meister, Lehrer usw.?

Zen-Titel variieren von Tradition zu Tradition, daher muss man jeweils prüfen, welches System die jeweiligen Schulen für ihre Abschlussgrade und Lehrenden haben. Das japanische System ist äußerst kompliziert, ich möchte es daher nicht aufrollen, nur das Folgende: ‚Sensei‘ ist eine Ehrenbezeichnung für eine/n Lehrer/in. ‚Roshi‘, d.h. ‚alter Lehrer/Meisterin‘, ist in der Soto-Tradition einfach ein Ausdruck des Respekts für eine geistliche Person. In der Rinzai-Tradition bezieht er sich auf eine Person, die ihr Koan-Studium vollendet hat. Nur ein Roshi kann Koan-Zen lehren und Vorsteher eines Haupttempels werden. Es bleibt jedoch konkret herauszufinden, was eine Schule durch einen Titel ausdrücken will. Auch ist ein Titel keine Garantie für die Tiefe oder die Reife der Meisterin oder des Meisters, sondern zeigt nur an, dass man eine Legitimation erworben hat. Viele Roshis, Meister/innen und Lehrer/innen sind nicht besonders tief oder reif. Und dennoch sollte man selbsternannte Meister/innen und Lehrer/innen besser meiden.

Es gibt verschiedene Zen-Schulen, welche kann man empfehlen?

Es gibt eine Vielzahl von Zen-Arten und -Schulen, und selbst in ein- und derselben Schule kann sich die Herangehensweise eines Lehrers von der eines anderen beträchtlich unterscheiden. Auch gibt japanisches Zen, koreanisches Zen, chinesisches Zen, vietnamesisches Zen usw. Das japanische und das koreanische Zen gehören zur Haupttradition. Im japanischen Zen sind Soto und Rinzai die wichtigsten Schulen, die Obaku-Schule ist nur klein. Im Rinzai wird Koan-Zen, im Soto Shikantaza, Nur-Sitzen, vermittelt. Viele westliche Lehrende der Rinzai-Tradition kombinieren indessen die beiden Ansätze. Auch die Zen-Schule Sanbo Kyodan, von Yasutani Haku’un und Yamada Ko’un primär als Zen-Schule für Nicht-Ordinierte gegründet, kombiniert Koanarbeit und Nur-Sitzen, ebenso wie die Plum-Sangha in den USA, gegründet von Taizan Maezumi.

Die westlichen Formen des Zen sind eine Übersetzung und Neuentwicklung der ursprünglichen asiatischen Formen, wie auch der westliche Buddhismus eine neue Form und Entwicklung des asiatischen Buddhismus ist. Wie schon erwähnt, haben die Lehrer/innen im Westen meist einen sehr persönlichen geprägten Lehrstil. Oft entspricht er nicht ihrer jeweiligen Tradition, manchmal auch nicht den Anforderungen. Finde selbst heraus, was das Beste für deinen Geist und deine Seele ist! Die Zen-Schule Bodhi Sangha habe ich selbst gegründet. Ich bin Schüler von Yamada Ko’un, der mir die Autorisierung und Lehrerlaubnis erteilt hat. Nach dem Tod von Yamada Ko’un habe ich Sanbo Kyodan verlassen. Mein Weg und meine Lehre sind tief gegründet und speziell, doch bin ich meinem Lehrer und dem Dharma in kreativer Treue verbunden.

Was sind die Schlüsselideen von Zen?

Wirf alle diese Ideen weg! Du bist das Universum, das Universum ist dein Selbst! Realisiere das - und lebe ein freies, mitfühlendes Leben.

 

Übersetzt aus: „Zen. Awakening to your original face" von AMA Samy, Chennai, India 2005